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Document 52023DP0381

P9_TA(2023)0381 — Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tomasz Piotr Poręba — Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. November 2023 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tomasz Piotr Poręba (2023/2024(IMM))

ABl. C, C/2024/2843, 8.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/2843/oj (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/2843/oj

European flag

Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Reihe C


C/2024/2843

8.5.2024

P9_TA(2023)0381

Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tomasz Piotr Poręba

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. November 2023 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tomasz Piotr Poręba (2023/2024(IMM))

(C/2024/2843)

Das Europäische Parlament,

befasst mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tomasz Piotr Poręba im Zusammenhang mit einem Strafverfahren aufgrund der Einreichung einer zivilen Anklageschrift, der von der XIV. Strafabteilung des Amtsgerichts Warschau-Mokotów am 13. Dezember 2022 übermittelt und am 13. Februar 2023 im Plenum bekannt gegeben wurde,

unter Hinweis darauf, dass Tomasz Piotr Poręba gemäß Artikel 9 Absatz 6 der Geschäftsordnung auf sein Anhörungsrecht verzichtet hat,

gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019  (1),

unter Hinweis auf Artikel 105 Absatz 2 und Artikel 108 der Verfassung der Republik Polen sowie Artikel 7b Absatz 1 und Artikel 7c Absatz 1 des polnischen Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren,

gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0348/2023),

A.

in der Erwägung, dass der Richter der XIV. Strafabteilung des Amtsgerichts Warschau-Mokotów am 13. Dezember 2022 einen Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Tomasz Piotr Poręba, der in Polen gewählt wurde, eingereicht hat, weil eine Privatperson aufgrund einer Veröffentlichung auf dem Twitter-Konto der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die angeblich Inhalte enthält, die zu nationalem, ethnischem, rassistischem und religiösem Hass aufstacheln, Strafanzeige erstattet hat; in der Erwägung, dass am 17. November 2021 das Amtsgericht Warschau-Mokotów mit der Anklageschrift befasst wurde, die vom Bevollmächtigten des Subsidiaranklägers eingebracht wurde; in der Erwägung, dass außerdem der Bevollmächtigte beim Gericht beantragte, seinen Antrag auf Erlaubnis zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen Tomasz Piotr Poręba an das Europäische Parlament zu übermitteln;

B.

in der Erwägung, dass der Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität entsprechend Artikel 9 Absatz 12 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments von der Justizbehörde übermittelt wurde, dass jedoch gemäß Artikel 9 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung jeder Antrag auf Aufhebung der Immunität von „einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates“ gestellt werden muss und diese beiden Begriffe nicht identisch sind; in der Erwägung, dass die Bedeutung des Ausdrucks „zuständige Behörde eines Mitgliedstaates“ durch die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften bestimmt wird; in der Erwägung, dass im Falle Polens die Bestimmungen von Artikel 7b Absatz 1 des polnischen Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren maßgeblich sind, denen zufolge der Antrag auf Genehmigung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Abgeordneten oder Senator in einem Verfahren wegen einer von Amts wegen verfolgten Straftat über die Generalstaatsanwaltschaft gestellt wird; in der Erwägung, dass im vorliegenden Fall der Antrag bei der Generalstaatsanwaltschaft gestellt wurde, die Generalstaatsanwaltschaft den Antrag jedoch mit der Begründung zurückschickte, dass die „Privatanklage“ auch die „Subsidiaranklage“ enthalte und die Zuständigkeit für die Stellung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds bei dem mit dem Fall befassten Gericht liege;

C.

in der Erwägung, dass der Bevollmächtigte des Subsidiaranklägers beim Gericht die Genehmigung zur Einleitung eines Strafverfahrens unter anderem gegen Tomasz Piotr Poręba wegen einer Tat beantragt hat, die unter Artikel 256 Absatz 2 des polnischen Strafgesetzbuchs fällt;

D.

in der Erwägung, dass am 17. Oktober 2018 der Wahlspot mit dem Titel „Bezpieczny samorząd“ (Sichere Gemeinde) in den sozialen Medien auf dem Twitter-Konto der PiS im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen, die am 21. Oktober 2018 in Polen stattgefunden haben, veröffentlicht wurde; in der Erwägung, dass seine Verbreitung unter anderem von Tomasz Piotr Poręba unterstützt wurde; in der Erwägung, dass in der Veröffentlichung angeblich zu Hass gegen muslimische Einwanderer aufgerufen wurde;

E.

in der Erwägung, dass Tomasz Piotr Poręba zu einer Gruppe von Personen gehört, die aufgrund der fraglichen mutmaßlichen Straftat beschuldigt werden und sich daher in einer ähnlichen Situation befinden, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass er derzeit als Mitglied des Europäischen Parlaments Immunität genießt; in der Erwägung, dass daher zu berücksichtigen ist, dass Tomasz Piotr Poręba nicht die einzige Person ist, gegen die in dem betreffenden Fall Anklage erhoben werden könnte;

F.

in der Erwägung, dass Tomasz Piotr Poręba bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2009 in das Europäische Parlament gewählt wurde;

G.

in der Erwägung, dass die vorgeworfene Straftat nicht eine von Tomasz Piotr Poręba in Ausübung seines Amtes erfolgte Äußerung oder Abstimmung gemäß Artikel 8 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft, sondern sich auf Tätigkeiten mit lokalem Bezug bezieht;

H.

in der Erwägung, dass der Zweck der parlamentarischen Immunität darin besteht, das Parlament und seine Mitglieder vor Gerichtsverfahren zu schützen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die sie in Ausübung ihrer parlamentarischen Funktionen ausüben und die untrennbar damit verbunden sind;

I.

in der Erwägung, dass Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorsieht, dass den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

J.

in der Erwägung, dass gemäß Artikel 105 Absatz 2 und Artikel 108 der Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997 sowie Artikel 7 Absätze 1, 2 und 4, Artikel 7b Absatz 1 und Artikel 7c Absatz 1 des Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren (2) ein Abgeordneter ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments nicht als Verdächtiger vernommen und nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden darf;

K.

in der Erwägung, dass einerseits das Parlament nicht einem Gericht gleichgesetzt werden kann und dass andererseits das Mitglied des Parlaments im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Aufhebung der Immunität nicht als „Angeklagter“ gelten darf (3);

L.

in der Erwägung, dass in dem vorliegenden Fall das Parlament keine Anzeichen von fumus persecutionis gefunden hat, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das zugrunde liegende Verfahren von der Absicht getragen ist, der politischen Tätigkeit des Mitglieds und damit dem Europäischen Parlament zu schaden;

1.

beschließt, die Immunität von Tomasz Piotr Poręba aufzuheben;

2.

beauftragt seine Präsidentin, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den zuständigen Organen der Republik Polen und Tomasz Piotr Poręba zu übermitteln.


(1)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra / De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch / Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C-163/10, ECLI:EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch / Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23; Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C-502/19, ECLI:EU:C:2019:1115.

(2)  Amtsblatt der Republik Polen, 2022.1339, kodifizierte Fassung.

(3)  Urteil des Gerichts vom 30. April 2019, Briois/Parlament, T-214/18, ECLI:EU:T:2019:266.


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/2843/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)


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